Samstag, 20. Juli 2013

Von kraulenden Krallen


Man muss ihn einfach liebhaben, den neuen Totalitarismus des 21. Jahrhunderts auf den samtweichen Schmusepfoten.

Wie er sich da, hilflos die Schultern hebend, vor uns aufbaut, nach allen Regeln der Kunst herumdruckst, zwischen geschlossenen Zähnen ein fast verlegenes ,Hier stehe ich und kann nicht anders' herauspressend, sich verhält wie ein harmloses Haustier, wie ein zufrieden schnurrender Kater, der sanft Miau macht und verspricht, ganz lieb zu allen Hausbewohnern zu sein, zum Streicheln lieb, nichts Böses im Schilde führend, weil, er kann ja gar nichts Böses im Schilde führen, der freundliche Kater, denn er habe ja nichts zu verbergen, miaut der Kater in die Kameras, im Gegenteil, er lege höchsten Wert auf Transparenz, ach was, miaut der Kater weiter - wenn auch unter vermehrtem Stottern und häufigem Augendeckelklappern (was bei lieben Hauskatzen ein sicherer Hinweis ist darauf, dass sie etwas Böses im Schilde führen) -, vertraut mir, meine lieben Hausbewohner, denn:
"This is the most transparent administration in history"


- und weil der freundliche Kater dies bereits im Februar beteuert hatte und inzwischen das Ding mit der Totalüberwachung komplett aufgeflogen ist, hielt er es gestern für eine gute Idee, noch ein extrafreundliches Transparenz-Miau nachzulegen und zu beteuern, er werde das, was ein "geheimes Gericht zur Überwachung von Geheimdienstaktivitäten" beschließe, der Öffentlichkeit (also den aufgescheuchten Hausbewohnern) selbstverständlich transparent machen, wobei der brave Kater offen ließ, wozu es überhaupt eines geheimen Gerichtes bedarf, wenn die Beschlüsse des geheimen Gerichtes ohnehin veröffentlicht werden oder zumindest der Kater beteuert sie zu veröffentlichen, aber egal, Hauptsache ein freundliches Miau.

Übrigens wird die Existenzberechtigung von geheimnisvollen Geheimgerichten gleich viel transparenter, wenn man dem Kater aufmerksam zuhörte, wie er vorgestern, behaglich schnurrend, verkündete, dass die normalen (also die nicht-geheimen) Gerichte überhaupt nichts zu melden hätten - sollte ein ganz normaler Richter auf die absurde Idee kommen, die NSA wegen verfassungswidriger Schnüffelaktivitäen zu verklagen. Ha ha, schnurrt sich der Kater da einen ab, sonst könnte ja jeder kommen und auf sein verfassungsmäßiges Recht pochen - nix da, die GröLaRaZ (Größte Lausch-Razzia aller Zeiten)
... findet statt im "öffentlichen Interesse", verletzt keinesfalls die konstitutionellen Rechte der Amerikaner und kann deshalb nicht von einem ordentlichen Gericht angefochten werden.
- und schon gar nicht via Verfassungsklage, weil nämlich, schnurrt unser Kater weiter, wer im "öffentlichen Interesse" handele, der könne ja gar nicht gegen die Verfassung verstoßen, denn schließlich begründe sich das (katerseits so definierte) "öffentliche Interesse" auf die Verfassung. Klar?

Klar. Zwar hätte er auch gleich raunzen können: "Das Rechtsstaatsprinzip geht uns Kontrollfreaks sonstwo vorbei"; aber der Appell ans "öffentliche Interesse" klingt halt viel schnurriger, irgendwie volksnaher. War ja auch für die Öffentlichkeit gedacht, das schnurrige Statement. Zwar wundert sich diese Öffentlichkeit immer mehr, wieso sie vom Kater nicht gefragt wird, welche Variante des Ausspionierens im "öffentlichen Interesse" ist und welche nicht; aber, miau!, derlei Spitzfindigkeiten gehen dem Kater sonstwo vorbei, denn was ein echter Kater ist, der fletscht beim Miauen insgeheim das Gebiss, weil er weiß, in Wirklichkeit ist er ein Raubtier und steht über dem Gesetz.

Und überhaupt, wetzt der Kater genüsslich seine Krallen, wie will einer beweisen, dass er ausspioniert wurde, wo wir das doch alles im Geheimen abgrabschen? Wie will der uns also verklagen, bar jeder beweisführenden Grundlage? Ha ha, miau!

Dies, ihr lieben Hausbewohner, nennt man ein geschlossenes, von außen nicht anfechtbares - also totalitäres - logisches System:
Die Regierung erklärt den GröLaRaZ als "im öffentlichen Interesse" und somit als verfassungsrechtlich abgesichert; außerdem wird der GröLaRaZ im Geheimen durchgeführt, und weil keiner wissen kann, was im Geheimen passiert, kann keiner wegen etwas, was im Geheimen passiert, vor Gericht ziehen, noch nicht mal vor eins dieser im Geheimen tagenden Geheimgerichte, über deren geheimen Beschlüsse wir euch selbstverständlich auf dem Laufenden halten, weil, Transparenz wird bei uns großgeschrieben, miau!

Ach ja, da war noch etwas:

Ebenfalls gestern hat sich das totalitäre logische System mit einem aggressiv lauten, gar nicht freundlichen Miau geschlossen: Der Richterspruch im Militärprozess gegen Bradley Manning lautete, der Beklagte stünde unter dem schwersten aller Vorwürfe, nämlich der "Beihilfe des Feindes". Was genau wird Manning zur Last gelegt? Dass er geheimgehaltene militärische Informationen, sprich: Übergriffe (unter anderem einen Film von amerikanischen Kampfhubschraubern, aus denen heraus Journalisten erschossen wurden) der Öffentlichkeit zugänglich machte.

Beihilfe des Feindes? Wer ist nochmal der Feind? Doch nicht etwa die Öffentlichkeit?
Exactly who is the "enemy" in this case? It's clear who, in this case, the government, the military, the CIA and the NSA see as "the enemy". It's us.
It's us, the people. Die Öffentlichkeit. Jene Öffentlichkeit, die - im wohlverstandenen "öffentlichen Interesse" - ihrer von der Verfassung garantierten Rechte beraubt wird. Von einem als schnurrender Kater getarnten totalitären Raubtier. Zum Kraulen, das Vieh. Der tut nichts. Will nur spielen, mit seinen rhetorischen Schmusepfoten. Miau.

4 Kommentare:

  1. Extraklasse!!!

    Selten so was gelesen in den letzten 23 Jahren!!

    Hochachtung.

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  2. Ja, auch von mir: Extraklasse. Dampf. Aggressivität. Geist. Chapeau!

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  3. Sehr schön!

    Nachdem wir nun ahnen, wer uns den Schmusekater gibt, bleibe ich doch ratlos zurück:

    Wollen wir Katern ernsthaft vorwerfen, dass sie schnurren?
    Schlimmer noch...
    Machen die Kater nicht genauso selbstverständlich und naturgegeben-zwingend 'miau', wie die Schafe blöcken und die Murmeltiere schlafen?

    Manchmal wäre die Gewissheit, es gäbe einen Plot, das geringere Übel.

    SP

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    1. Wer sich dem schnurrenden Schmusekater zutraulich auf den Schoß setzen will, dem sei das unbenommen. Er darf sich dann halt nur nicht wundern, wenn ihm die totalitäre Raubtierpranke quer übers Gesicht fährt.

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